Texttypen

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Texttypen

Im Laufe unseres Lebens haben wir ein Textwissen aufgebaut: Dadurch können wir z. B. gleich nach dem Öffnen eines Briefs vermuten, dass es sich um eine Rechnung handelt. Wir erkennen, ohne zu lesen, dass in der Zeitung ein Gedicht abgedruckt ist. Wir wissen (ungefähr), wie man eine Mail schreibt, eine Kontaktanzeige aufsetzt oder eine Einkaufsliste verfasst. Textwissen bezieht sich auf Regularitäten und sprachliche Muster von Texttypen und -sorten.


In der Sprachwissenschaft

... werden Texte mit gemeinsamen sprachlichen Merkmalen (z. B. in der Text- und Diskurslinguistik) als Texttypen und Textsorten erforscht. Die Untersuchung von Einzeltexten und ihre Zuordnung zu einer Textsorte oder zu mehreren Textsorten ist lohnend, denn dadurch lassen sich komplexe Muster sprachlicher Kommunikation und die kollektiv verfügbaren sprachlichen Realisierungen kommunikativer Bedürfnisse von Sprecherinnen und Sprechern aufdecken (vgl. Metzler-Lexikon Sprache 2016: 708f.; Brinker – Cölfen – Pappert 2018).


Die Sprachgeschichtsforschung

... nutzt die Untersuchung von Textsorten und Texttypen seit langem intensiv, denn diese stellen (mehr oder weniger) serielle textuelle Lösungen für historische kommunikative Problemstellungen und Schreibanlässe dar. Anhand von Textsorten wie Brief, Testament, Rechnung, Rezept oder Schuldschein verfolgt sie unter anderem das Aufkommen und die Veränderung von Textsorten und ihren sprachlichen Mustern sowie ihre Nutzung durch sprachliche Experten und Laien. Sie hat auch das Verschwinden von einzelnen Textsorten aus der historischen Lebenswelt (vgl. Schuster 2019: 219–240) im Blick. Sie untersucht schließlich die Aufdeckung des Spannungsverhältnisses zwischen sprachlicher Individualität und Variation und dem Befolgen von sprachlichen Musterhaftigkeiten im Sinne einer Modellierung „sprachliche[r] Möglichkeitsräume historischer Schreiberinnen und Schreiber” (vgl. Schiegg 2022: 4).


Für „Historische Stadtsprachen vor Ort”

... weisen wir die ausgewählten Texte in aller Vorsicht historischen Texttypen zu. Wir fragen dazu:

Welcher (seriellen, musterhaften) Realisationsform zusammenhängender Einheiten geschriebener Sprache lässt sich das einzelne historische Schriftzeugnis zuordnen?

Je nach Komplexität des Textes bieten wir dazu mehrere Substantive für Texttypen pro Text an. Sie sind in der Regel abstrahierend formuliert; der Abstraktionsgrad ist (gegenstandsbedingt) variabel. Überarbeitungen sind geplant.

Wir weisen die Texte außerdem (in Anlehnung an die Kategorisierung im Referenzkorpus ReN, vgl. https://www.slm.uni-hamburg.de/ren/korpus/korpusdesign.html) folgenden Feldern der Schriftlichkeit zu. Sie greifen das "Sinnwelten"-Modell (Kästner – Schütz – Schwitalla 2000: 1605–1623) auf und stellen eine Gliederungsmöglichkeit dar, „die eine Beschreibungsebene oberhalb des Textsortenspektrums darstellt" (Peters – Nagel 2014: 167f.):


Genauere Textkenntnis führt zu genaueren Zuordnungen; die Daten werden daher fortlaufend erweitert und korrigiert. Für Hinweise sind wir dankbar.




Zitierte Literatur

Brinker, K., Cölfen, H., & Pappert, S. (2018). Linguistische Textanalyse. Berlin: de Gruyter.

Kästner, H., Schütz, E., & Schwitalla, J. (2000). Die Textsorten des Frühneuhochdeutschen. In W. Besch et al. (Hrsg.), Sprachgeschichte. Ein Handbuch zur Geschichte der deutschen Sprache und ihrer Erforschung (2. vollst. neu bearb. und erweiterte Aufl., S. 1605–1623). Berlin – New York: de Gruyter.

Glück, H., & Rödel, M. (Hrsg.). (2016). Metzler-Lexikon Sprache (5. Aufl.). Stuttgart: Metzler.

Peters, R., & Nagel, N. (2014). Das digitale Referenzkorpus Mittelniederdeutsch / Niederrheinisch (ReN). Jahrbuch für Germanistische Sprachgeschichte, 5, 165–175.

Schiegg, M. (2022). Flexible Schreiber in der Sprachgeschichte: Intraindividuelle Variation in Patientenbriefen (1850–1936) (Germanistische Bibliothek, Bd. 75). Heidelberg: Winter.

Schuster, B.-M. (2019). Sprachgeschichte als Geschichte von Texten. In J. A. Bär, A. Lobenstein-Reichmann & J. Riecke (Hrsg.), Handbuch Sprache in der Geschichte (S. 219–240). Berlin – Boston: de Gruyter.