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'''Sprache ist das für Menschen spezifische Kommunikationsmittel'''. '''Als Einzelsprache ist sie an eine Sprachgemeinschaft und ihre Kommunikationsereignisse, den geographischen Raum und die Zeit gebunden''' (vgl. [[#metzler|Metzler-Lexikon Sprache: 637]]). '''Wird sie von Kindern als erste Sprache erworben, gilt sie als deren Erstsprache oder Muttersprache. In historischer Sicht ist Sprache in Texten überliefert.'''
'''Sprache ist das für Menschen spezifische Kommunikationsmittel'''. '''Als Einzelsprache ist sie an eine Sprachgemeinschaft und ihre Kommunikationsereignisse, den geographischen Raum und die Zeit gebunden''' (vgl. [[#metzler|Metzler-Lexikon Sprache 2016: 637]]). '''Wird sie von Kindern als erste Sprache erworben, gilt sie als deren Erstsprache oder Muttersprache. In historischer Sicht ist Sprache – und sind Sprachen – im europäischen Raum in handschriftlich geschriebenen, in eingeritzten, gemeißelten, gravierten, gegossenen, gemalten (...) und seit dem 15./16. Jahrhundert auch in gedruckten Texten überliefert.'''




Im historischen Greifswald wurde als Erstsprache – wie überall im Norden des deutschen Sprachgebiets – volkssprachig niederdeutsch gesprochen und geschrieben. Hochdeutsch galt als fremde Sprache, die abhängig von Situationen und Kenntnissen verwendet werden konnte (z. B. von Kaufleuten bei Handelskontakten in anderen Gebieten und weiteren Sprachkontaktsituationen).
Im historischen Greifswald wurde als Erstsprache – wie überall im Norden des deutschen Sprachgebiets – volkssprachig niederdeutsch gesprochen und geschrieben. Hochdeutsch galt als fremde Sprache, die abhängig von Situationen und Kenntnissen verwendet werden konnte (z. B. von Kaufleuten bei Handelskontakten in anderen Gebieten und in weiteren Sprachkontaktsituationen) ([[Stadt- und Sprachgeschichte Greifswalds|<span>Stadt- und Sprachgeschichte Greifswalds</span>]]).


Im ganzen norddeutschen Raum wurde das Hochdeutsche im 16. Jahrhundert in unterschiedlichen sprachlichen Domänen zu einer Prestigesprache. In einigen Bereichen wurde es daher erst auch und neben der niederdeutschen Erstsprache verwendet, in einigen Bereichen sogar bald ausschließlich anstelle des Niederdeutschen. Es kam zu sprachlichen Interferenzen, zu volkssprachiger Mehrsprachigkeit und zu (zunächst partiellen, später vollständigen) Sprachwechselprozessen.
Im ganzen norddeutschen Raum wurde das Hochdeutsche im 16. Jahrhundert in unterschiedlichen sprachlichen Domänen zu einer Prestigesprache. In einigen Bereichen wurde es daher erst auch und neben der niederdeutschen Erstsprache verwendet, in einigen Bereichen sogar bald ausschließlich anstelle des Niederdeutschen. Es kam dabei zu sprachlichen Interferenzen, zu volkssprachiger Mehrsprachigkeit und zu (zunächst partiellen, später vollständigen) Sprachwechselprozessen ([[Stadt- und Sprachgeschichte Greifswalds|<span>Stadt- und Sprachgeschichte Greifswalds</span>]]). Sprecherinnen und Sprecher konnten die Sprachwechselprozesse beobachten und haben bisweilen ihre Ansichten und Spracheinstellungen in Texten festgehalten.


Texte zeigen diesen Wechsel von Niederdeutsch zu Hochdeutsch als Schreibsprachenwechsel (vgl. [[#peters|Peters (2015): 25ff]]). Der Prozess umfasst nicht nur die in Texten sichtbare Schreibung und – überwiegend als Voraussetzung – die Lautung der Wörter mit Konsonanten und Vokalen (z. B. niederdeutsch: ''dat Hus'', hochdeutsch: ''das Haus''), sondern auch weitere sprachsystematische Ebenen wie die Wortbildung (z. B. niederdeutsch: ''vertellen'', hochdeutsch: ''erzählen''), die Flexion (z. B. niederdeutsch: ''wi maket'', hochdeutsch: ''wir machen'') oder den Satzbau (z. B. niederdeutsch: ''da horet ... to'', hochdeutsch: ''dazu gehört'' ...).


'''Für die deutsche Sprachgeschichte ist diese Entwicklung im gesamten Norden des deutschen Sprachgebiets eine der zentralen Entwicklungen im 16. Jahrhundert: Es ist „die größte Sprachumstellung unserer Geschichte“''' ([[#besch|Besch (1995): 242]]).
'''Die Sprachgeschichtsforschung'''


... untersucht historische Sprachwechselprozesse von Niederdeutsch zu Hochdeutsch in Texten als Schreibsprachenwechsel mit vielfältigen Übergangsbereichen (vgl. [[#peters|Peters 2015: 25ff]]). Die Prozesse umfassen aber nicht nur die in Texten sichtbare Schreibung und – überwiegend als Voraussetzung – die Lautung der Wörter mit Konsonanten und Vokalen (z. B. niederdeutsch: ''dat Hus'', hochdeutsch: ''das Haus''), sondern auch weitere sprachsystematische Ebenen wie die Wortbildung (z. B. niederdeutsch: ''[[ver]]tellen'', hochdeutsch: ''[[er]]zählen''), die Flexion (z. B. niederdeutsch: ''wi mak[[et]]'', hochdeutsch: ''wir mach[[en]]'') oder den Satzbau (z. B. niederdeutsch: ''[[da]] horet ... [[to]]'', hochdeutsch: ''[[dazu]] gehört'' ...).


'''Für „Greifswald Digital” klassifizieren wir die Sprache der ausgewählten Texte. Wir unterscheiden dabei''' – unabhängig von Sprachstufenbeschreibungen wie z. B. mittelniederdeutsch, neuniederdeutsch, frühneuhochdeutsch, norddeutsch – '''niederdeutsch und hochdeutsch'''. '''Erkannte sprachliche Interferenzphänomene zeichnen wir zusätzlich als Sprachmischung aus.'''
Für die deutsche Sprachgeschichte ist diese Entwicklung im gesamten Norden des deutschen Sprachgebiets eine der zentralen Entwicklungen im 16. Jahrhundert: Es ist '''„die größte Sprachumstellung unserer Geschichte“''' ([[#besch|Besch 1995: 242]]) und ein "'''entscheidender Schritt zur Entstehung einer deutschen Standardsprache'''” ([[#mihm|Mihm 2022: 16]]).
 
 
'''Für „Historische Stadtsprachen vor Ort”'''
 
... klassifizieren wir die Sprache der ausgewählten Texte. Wir unterscheiden dabei – unabhängig von genauer kategorisierenden Sprachstufenbeschreibungen wie z. B. ''mittelniederdeutsch, neuniederdeutsch, frühneuhochdeutsch, norddeutsch'' aus arbeispraktischen Gründen lediglich '''''niederdeutsch''''' und '''''hochdeutsch'''''. Erkannte sprachliche Interferenzphänomene (und auch Verdachtsmomente) zeichnen wir als '''''Sprachmischung''''' aus, dabei geben wir jeweils die Sprache an, die unserer Meinung nach überwiegt.


Genauere Textkenntnis führt zu genaueren Zuordnungen; die Daten werden daher fortlaufend erweitert und korrigiert. Für Hinweise sind wir dankbar.  
Genauere Textkenntnis führt zu genaueren Zuordnungen; die Daten werden daher fortlaufend erweitert und korrigiert. Für Hinweise sind wir dankbar.  


{{subpage-citation|page-citation=<span id="besch"></span> Werner Besch, Sprachprobleme in Münster im Jahre 1533, in: Lingua Theodisca. Beiträge zur Sprach- und Literaturwissenschaft. Jan Goossens zum 65. Geburtstag. Herausgegeben von José Cajot /– Ludger Kremer – Hermann Niebaum, Münster – Hamburg 1995, S. 241–253.
{{subpage-citation|page-citation=<span id="besch"></span> Besch, W. (1995). Sprachprobleme in Münster im Jahre 1533. In J. Cajot, L. Kremer & H. Niebaum (Hrsg.), Lingua Theodisca. Beiträge zur Sprach- und Literaturwissenschaft. Jan Goossens zum 65. Geburtstag (S. 241–253). Münster – Hamburg: Lit Verlag.
 
<span id="metzler"></span> Glück, H., & Rödel, M. (Hrsg.). (2016). Metzler-Lexikon Sprache (5. Aufl.). Stuttgart: Metzler.


<span id="metzler"></span> Metzler-Lexikon Sprache. Hg. v. Helmut Glück – Michael Rödel, 5. A. Stuttgart 2016.
<span id="Mihm"></span> Mihm, A. (2022). Sprachenvielfalt und kontaktbedingter Wandel. Zum Erkenntniswert der Greifswalder Sprachgeschichte. In M. Schulz & L. Kütt (Hrsg.), Sprachgeschichte vor Ort. Stadtsprachenforschung im Spannungsfeld zwischen Ortspunkt und Sprachraum (S. 1–34) (Germanistische Bibliothek, Bd. 74). Heidelberg: Winter.


<span id="peters"></span> Robert Peters, Zur Sprachgeschichte des norddeutschen Raumes, Jahrbuch für Germanistische Sprachgeschichte 6 (2015) S. 18–36.
<span id="peters"></span> Peters, R. (2015). Zur Sprachgeschichte des norddeutschen Raumes. Jahrbuch für Germanistische Sprachgeschichte, 6, 18–36. Berlin – Boston: de Gruyter.
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Aktuelle Version vom 8. April 2025, 16:02 Uhr

Sprachen der Texte

Sprache ist das für Menschen spezifische Kommunikationsmittel. Als Einzelsprache ist sie an eine Sprachgemeinschaft und ihre Kommunikationsereignisse, den geographischen Raum und die Zeit gebunden (vgl. Metzler-Lexikon Sprache 2016: 637). Wird sie von Kindern als erste Sprache erworben, gilt sie als deren Erstsprache oder Muttersprache. In historischer Sicht ist Sprache – und sind Sprachen – im europäischen Raum in handschriftlich geschriebenen, in eingeritzten, gemeißelten, gravierten, gegossenen, gemalten (...) und seit dem 15./16. Jahrhundert auch in gedruckten Texten überliefert.


Im historischen Greifswald wurde als Erstsprache – wie überall im Norden des deutschen Sprachgebiets – volkssprachig niederdeutsch gesprochen und geschrieben. Hochdeutsch galt als fremde Sprache, die abhängig von Situationen und Kenntnissen verwendet werden konnte (z. B. von Kaufleuten bei Handelskontakten in anderen Gebieten und in weiteren Sprachkontaktsituationen) (Stadt- und Sprachgeschichte Greifswalds).

Im ganzen norddeutschen Raum wurde das Hochdeutsche im 16. Jahrhundert in unterschiedlichen sprachlichen Domänen zu einer Prestigesprache. In einigen Bereichen wurde es daher erst auch und neben der niederdeutschen Erstsprache verwendet, in einigen Bereichen sogar bald ausschließlich anstelle des Niederdeutschen. Es kam dabei zu sprachlichen Interferenzen, zu volkssprachiger Mehrsprachigkeit und zu (zunächst partiellen, später vollständigen) Sprachwechselprozessen (Stadt- und Sprachgeschichte Greifswalds). Sprecherinnen und Sprecher konnten die Sprachwechselprozesse beobachten und haben bisweilen ihre Ansichten und Spracheinstellungen in Texten festgehalten.


Die Sprachgeschichtsforschung

... untersucht historische Sprachwechselprozesse von Niederdeutsch zu Hochdeutsch in Texten als Schreibsprachenwechsel mit vielfältigen Übergangsbereichen (vgl. Peters 2015: 25ff). Die Prozesse umfassen aber nicht nur die in Texten sichtbare Schreibung und – überwiegend als Voraussetzung – die Lautung der Wörter mit Konsonanten und Vokalen (z. B. niederdeutsch: dat Hus, hochdeutsch: das Haus), sondern auch weitere sprachsystematische Ebenen wie die Wortbildung (z. B. niederdeutsch: vertellen, hochdeutsch: erzählen), die Flexion (z. B. niederdeutsch: wi maket, hochdeutsch: wir machen) oder den Satzbau (z. B. niederdeutsch: da horet ... to, hochdeutsch: dazu gehört ...).

Für die deutsche Sprachgeschichte ist diese Entwicklung im gesamten Norden des deutschen Sprachgebiets eine der zentralen Entwicklungen im 16. Jahrhundert: Es ist „die größte Sprachumstellung unserer Geschichte“ (Besch 1995: 242) und ein "entscheidender Schritt zur Entstehung einer deutschen Standardsprache” (Mihm 2022: 16).


Für „Historische Stadtsprachen vor Ort”

... klassifizieren wir die Sprache der ausgewählten Texte. Wir unterscheiden dabei – unabhängig von genauer kategorisierenden Sprachstufenbeschreibungen wie z. B. mittelniederdeutsch, neuniederdeutsch, frühneuhochdeutsch, norddeutsch – aus arbeispraktischen Gründen lediglich niederdeutsch und hochdeutsch. Erkannte sprachliche Interferenzphänomene (und auch Verdachtsmomente) zeichnen wir als Sprachmischung aus, dabei geben wir jeweils die Sprache an, die unserer Meinung nach überwiegt.

Genauere Textkenntnis führt zu genaueren Zuordnungen; die Daten werden daher fortlaufend erweitert und korrigiert. Für Hinweise sind wir dankbar.



Zitierte Literatur

Besch, W. (1995). Sprachprobleme in Münster im Jahre 1533. In J. Cajot, L. Kremer & H. Niebaum (Hrsg.), Lingua Theodisca. Beiträge zur Sprach- und Literaturwissenschaft. Jan Goossens zum 65. Geburtstag (S. 241–253). Münster – Hamburg: Lit Verlag.

Glück, H., & Rödel, M. (Hrsg.). (2016). Metzler-Lexikon Sprache (5. Aufl.). Stuttgart: Metzler.

Mihm, A. (2022). Sprachenvielfalt und kontaktbedingter Wandel. Zum Erkenntniswert der Greifswalder Sprachgeschichte. In M. Schulz & L. Kütt (Hrsg.), Sprachgeschichte vor Ort. Stadtsprachenforschung im Spannungsfeld zwischen Ortspunkt und Sprachraum (S. 1–34) (Germanistische Bibliothek, Bd. 74). Heidelberg: Winter.

Peters, R. (2015). Zur Sprachgeschichte des norddeutschen Raumes. Jahrbuch für Germanistische Sprachgeschichte, 6, 18–36. Berlin – Boston: de Gruyter.


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